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Jauch und Mathematik

Ich kann nicht glauben, dass der Bericht so vollständig stehen bleibt:

„Auch bei der folgenden mathematischen Frage musste Scherbaum sich helfen lassen: Ein Kreis mit einem Umfang von 3.141,6 Metern hat einen Durchmesser von ziemlich genau …? A: 100 Metern, B: einem Kilometer, C: zehn Kilometern, D: 100 Kilometern. Scherbaums Telefonjoker? Passenderweise ein Mathelehrer. Doch dann der Super-GAU: 29 Sekunden entfleuchte dem Pädagogen kein einziges Wort. Kurz vor Abbruch der Verbindung dann ein entspanntes: „Schwer zu sagen“. Danke für Nichts! Ein betagter ehemaliger Physik-Student aus dem Publikum wusste mit B dann aber doch die richtige Antwort.“

Ein zweiter „Mathelehrer“ hatte dann nach diversen Berichten die richtige Lösung parat. Peinlich ist schon, wenn der Kandidat das nicht wenigstens abschätzen kann. Aber jemand, der irgend etwas mit Mathematik zu tun hatte und seine Nerven halbwegs zusammen hat, sollte das leicht wissen. Ich kann mir das nur durch hochgradige Aufregung erklären.

Mathematik oder Pädagogik?

Ich lese in ZEIT online das Interview mit einer ehemaligen Schulleiterin in einer Hamburger „Stadtteilschule“. In einem Bildblock herausgestellt wird folgender Satz:

Die Ausbildung unserer Lehrer ist praxisfern: Schüler brauchen keine Fachgenies, sondern Pädagogen, die ihre Probleme verstehen.

Wie so oft ist das so zugespitzt formuliert, dass jeder zustimmen kann. „Fachgenies“ sind ganz offensichtlich in der Schule fehl am Platz. Ebenso wenig bestreitet jemand, dass Lehrer und Lehrerinnen die Probleme der Schüler verstehen sollten. Der Satz entlarvt sich damit als Meinungsmache, deren wesentliches Merkmal ist Sachverhalte zu unterstellen, die so nicht der Realität entsprechen. Stimmt man dem Satz zu, dann stimmt man auch der tendenziösen Botschaft zu, die ganz einfach lautet: Weniger Fachausbildung für Lehrer!

Nun versuchen wir es damit in Deutschland seit Jahren. Die Lehramtsausbildung für das Gymnasium entspricht inzwischen nur mit zusätzlichen Modulen einem Bachelor-Abschluss im Fach. Die Zulassungsarbeit kann durch eine Bachelorarbeit ersetzt werden. Im Vergleich dazu war es noch vor wenigen Jahren ohne Problem möglich, mit dem ersten Staatsexamen in die Promotion einzusteigen. In den anderen Schularten sieht es nicht besser aus. Fachinhalte wurden und werden dort bis auf das Schulniveau reduziert. Wurde die Schule dadurch besser? Nach Aussage derselben Kritiker unserer Lehramtsausbildung ist gerade das nicht der Fall. Sie empfehlen allerdings nur mehr von einer Medizin, die bisher auch nicht gewirkt hat.

Fragen Sie doch einmal einen beliebigen Schulleiter, was ihn an der real existierenden Schule am meisten bedrückt. Über zu große Fachkenntnisse des Lehrpersonals werden Sie da nichts hören. Im Gegenteil gibt es Schulleiter, die sich über mangelnde fachliche Professionalität von Referendaren beschweren. Das führt zu Ärgernissen mit Eltern und Probleme im Unterricht bis hin zur Notwendigkeit, die Klausuren dieser angehenden Kollegen nachkorrigieren lassen zu müssen. Die wirklichen Klagen der Schulleiter betreffen eher Schüler, Eltern und die Schulbehörde.

Nun ist gerade die veränderte Zusammensetzung der Klassen ein Argument der Pädagogen für mehr Pädagogik und weniger fachliche Ausbildung. Nutzt das etwas? Ich glaube nicht. Auch ich kann provokante Sätze formulieren und textuell herausstellen:

Es ist nicht hilfreich, nützliche Fachvorlesungen in Mathematik durch verkopfte Fachvorlesung in Pädagogik zu ersetzen.

Wir sollten allerdings von einer übermäßigen Konfrontation wieder ein wenig herunterkommen. Wir sind uns schließlich einig darüber, dass der Erfolg der Schule, und zwar nicht nur bei den unteren Schichten, zu wünschen übrig lässt. Die Kompetenzen in den MINT-Fächern ebenso wie die Lesekompetenzen, die ja ständig gemessen werden, sind im Schnitt unzureichend. Wir sollten uns auch einig darüber sein, dass ein Lehrer sowohl pädagogisch-didaktische, also auch fachliche Qualitäten haben muss. Ein guter Lehrer benötigt beides, und dazu noch menschliche Fähigkeiten, die man nicht antrainieren kann.

Ein guter Lehrer besitzt Sachkenntnis sowie pädagogische und didaktische Kompetenzen in gleichem Maße. Im optimalen Fall hat er auch besondere menschliche Qualitäten. 

Ich schlage erneut eine zweiphasige Ausbildung als Kompromiss vor, bestehend aus einer Fachausbildung in der ersten Phase und Ausbildung zum Lehrer in der zweiten Phase. Die Fachausbildung besteht aus einer Ausbildung zum Bachelor in den zu unterrichtenden Fächern, mit einem Fach als Hauptfach. Das gilt zumindest für die Lehrämter am Gymnasium. In der zweiten Phase werden dann Schulpraktika, pädagogische Inhalte und didaktische Module miteinander zu einem Master of Education verzahnt. Das erste Staatsexamen wird abgeschafft. Dieser Vorschlag wurde schon öfter gemacht, auch von prominenter Seite. Er scheiterte aber immer an universitären Lehramtsexperten, die glauben, einen Lehrer von der Schule direkt wieder in die Schule abholen zu müssen. Im Unterschied dazu glaube ich als Fachdozent nicht, bei der mich nicht betreffenden anderen Phase, der eigentlichen Lehramtsausbildung, hineinreden zu müssen.

Was die Lehrämter an Grund- und Hauptschulen angeht, so bin auch ich der Meinung, dass hier die Fachinhalte auf das Notwendigste zu reduzieren sind. Bei der Realschule allerdings ist die Lage kritischer zu sehen. Dies ist eine Schulart, für der sich zu viele Studentinnen und Studenten entscheiden, ohne allerdings die fachlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unterricht mitzubringen oder zu erwerben. Der Überhang an Bewerbern ist hier so groß, dass eine fachliche Hürde nicht schaden kann. Derzeit machen etwas zehnmal mehr Kandidatinnen und Kandidaten einen Abschluss als Stellen zur Verfügung stehen. Ob man hier einen Bachelor vorsehen sollte, mag diskutierbar sein. Aber es muss klar sein, dass selbst an Realschulen ein Mathematiklehrer ein Mathematiker sein muss. Amateure richten zu viel Schaden an.

Ein Mathematiklehrer muss Mathematiker sein, kein Amateur. Er muss sich im Studium die Grundsätze seinen Faches angeeignet haben. Die lassen sich eben nur in Fachvorlesungen üben.

Schließlich möchte ich noch präzisieren, was ich unter „Fachinhalten“ verstehe. Keineswegs müssen das fortgeschrittene Forschungsinhalte des jeweiligen Fachs sein. Auch sind es nicht unbedingt die klassischen Inhalte ohne Rücksicht darauf, wie sich Fächer in der modernen Zeit wissenschaftlich wandeln. Und die Curricula der Bachelor in Mathematik sind in der Tat moderner geworden. Wo etwa Funktionentheorie und Algebra noch immer eine Hauptrolle spielen, ist das dem Lehramtsstudium und dem schriftlichen Staatsexamen geschuldet. Diese scharfe, aber unsachgemäße Akzentuierung würde mit dem obigen zweistufigen Modell sofort aufhören. Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum sich selbst Fachvertreter gegen eine Reform des Lehramtsstudiums wenden.

Eine bessere Schule tut Not. Sie ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Die Lehramtsausbildung ist nur eine Facette des Problems. Vermutlich wird man ohne eine Aufwertung des Lehrerberufs nicht auskommen. Die erfolgreichen Länder vereinen strikte Zugangsprüfungen mit guter Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen. Vielleicht sollten wir ein wenig von ihnen lernen.

Ein Problem

problem

Gefunden auf Google+. Ich verlinke mal nichts, um den Spaß nicht zu verderben. Es scheint aber keine einfache Lösung zu geben.

Rettet den Bachelor!

Lasst uns versuchen, den Bachelor und den Master, sowie den ganzen Bologna-Prozess mit der Modularisierung zu retten. Zurückdrehen kann man da nichts. Also nehmen wir die Vorteile an, die ja unbestreitbar vorhanden sind. Es ist nun zum ersten Mal möglich, dass schwächere Studenten mit einem Abschluss die Universität verlassen. Auch den Wechsel zwischen Universitäten begreife ich als Vorteil. Aber man ist über das Ziel hinaus geschossen.

Was wäre zu tun?

1. Das Gymnasium muss in der Regel wieder 9 Jahre lang sein. Der Stress mit den Nachmittagen und das Zusammenstreichen von Lerninhalten muss aufhören. Die Schüler sollten sich wieder spezialisieren können und die Oberstufe ihren Interessen gemäß vertiefen, ohne die Allgemeinbildung zu vernachlässigen. Dafür braucht es 9 Jahre. Die Schüler müssen wieder eine echte Hochschulreife erreichen.

2.  Der Bachelor dauert in der Regel 4 Jahre und endet mit einer selbständigen Arbeit im Umfang von mindestens 1/2 Semester. Das ergibt um 2 Jahre reifere und bessere Absolventen. Außerdem ist der Bachelor kompatibler mit dem nicht europäischen Ausland. Die wesentliche Kompetenz, die Studenten erwerben, darf nicht sein, mit Zeitdruck zurecht zu kommen.

3. In jedem Semester gibt es maximal 3 Prüfungen und einen nicht benoteten Schein.  Das wird dadurch erreicht, dass Prüfungen mehrere Semester Studium abprüfen und dass Stoffeinheiten in der Regel 1/3 des Semesters umfassen. Kleinteilige Module sind die Ausnahme. Für Ausländer, die nur ein Semester und damit nicht über das ganze Modul hinweg bleiben, werden spezielle Prüfungen abgehalten. Damit sollte die übermäßige Belastung der Studenten und der Dozenten mit Prüfungen entfallen, und Vorlesungen bekommen wieder den Raum und die Aufmerksamkeit, die sie brauchen.

4. Der Master dauert in der Regel 3 Semester, wovon eines voll der Erstellung der Masterarbeit dient. Die Semester müssen nicht hintereinander liegen und können durch Praktika oder Berufstätigkeit unterbrochen sein. Insbesondere die Masterarbeit kann über längere Zeit neben dem Beruf erstellt werden. Dadurch wird der Master mit dem Beruf vereinbar. Er bleibt weiterhin dem selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten, allerdings unter Anleitung, gewidmet.

5. Das schriftliche Staatsexamen wird abgeschafft, wo es noch existiert. Es muss aufhören, dass die Inhalte, die das Ministerium zufällig dem Staatsexamen unterlegt, das Fachstudium kanonisieren und die Freiheit der Lehre einschränken. Die Inhalte sind bei der Lehramtsausbildung ohnehin weniger wichtig als die Kompetenzen. Optimal wäre, wenn die Ausbildung für Gymnasiallehrer auf einem Bachelor im Fach basieren würde, nach dem ein Master für Gymnasiallehrer erworben wird. Für Schularten, bei denen die Lehrer mehrere Fächer unterrichten, soll es weiterhin ein spezielles Studium mit speziellen Modulen, auch im Fach, geben.

6. Die Modulinhalte müssen so frei wie möglich formuliert werden. Jede Festlegung behindert die für ein wissenschaftliches Studium notwendige Entfaltung des Dozenten. Das gilt in besonderem Maße für die Geisteswissenschaften, aber auch für Mathematik und die Naturwissenschaften, zumindest in höheren Semestern. Im Masterstudium sind feste Modulbeschreibungen unerträglich. Verwaltungsmäßig lässt sich das so lösen, dass der Dozent die jeweilige Modulbeschreibung im Semester davor überarbeiten muss.

Ich freue mich auf Kommentare und Diskussionen.

Unternehmen unzufrieden mit Bachelorabsolventen

Sagt der DIHK.

Ja was? Sie sollen mit 21 fertig sein und so gut wie Diplomanden früher mit 25 und mehr? Sie wollten es doch so, die Unternehmer! Kurze Schul- und Uni-Ausbildung mit wenig Trödelei und dann sofort in den Dienst.  Und jetzt jammern! Das geht nicht.

In der Tat, Bachelor-Absolventen sind nicht so selbständig, gewandt und teamfähig wie mehrere Jahre ältere Absolventen aus früheren Zeiten mit einem Jahr mehr Gymnasium, womöglich noch Wehrdienst, und im Schnitt dreieinhalb Jahren mehr Universität. Sie haben hauptsächlich gelernt, Scheine zu bestehen und durch Schule und Studium ohne große Blessuren zu kommen. Die Modularisierung zwingt sie dazu, nicht mehr zu investieren als nötig. Teamfähig sind sie schon, zum Beispiel in Lerngruppen zum Pauken der Klausurinhalte. Zu mehr ist keine Zeit.

Natürlich folgt sofort das Nachtreten von wegen mangelndem Praxisbezug an der Universität. Ja bitte, wollt ihr keine Mitarbeiter, die auch über die Grundlagen Ihres Faches Bescheid wissen? Soll die deutsche Industrie im Stillstand verharren, weil alle nur noch machen, was sie immer gemacht und in der Uni eintrainiert haben? Es müsste doch klar sein: Wenn man die Grundlagen verstehen will, kommen Anwendungen halt zu kurz, weil die Zeit für beides nicht reicht.

Die Universität hat sich gewandelt. Und die Studierenden sind die Leidtragenden.

 

Nikolaustag

Von Nikolaus zu Nikolaus

Von drauß’ vom Hörsaal komm ich her,
ich muss euch sagen, ich wundert´ mich sehr,
wie grad zu einer stillen Zeit,
voll konzentriert´ Gelehrsamkeit,
ein Pochen und ein Rumpeln war,
an Tür und Tor, und siehe da,
stand plötzlich drauß’,
ein selbst ernannter Nikolaus.

Kam auch herein,
war nicht allein,
und brachte eine Mumie mit,
in grob gewickelt Tücherschnitt,
ein Engel und ein Knecht mit Sack,
wie man ihn kennt vom Weihnachtstag.
Ein Seitenblick fand schnell heraus,
`s war nicht der echte Nikolaus.

Schon schlug er auf ein Lexikon,
„Was sucht er wohl?“ fragt´ ich mich schon.
Doch war ein Zettel in dem Band,
auf dem mit großen Lettern stand,
wie gut, wie schlecht, wie übel gar,
wie löblich mein Betragen war.
Und alles las er vor daraus,
und scheut´ kein Wort, der Nikolaus.

Und weil all das allhier geschah,
und kommt womöglich jedes Jahr,
so dacht ich mir: „Ein schöner Brauch!“.
Doch denk ich wohl: „Ich kann das auch!“
Ich mein sogar mit Fug und Recht:
„Bin ich als Nikolaus nicht echt!“
Mit weißem Haar seh´ ich doch aus,
wie man ihn kennt, den Nikolaus.

Ich wohne dort im KGB –
kein Wunder, dass ich alles seh´.
Durch meine große Fensterfront,
bemerk´ ich jeden, der sich sonnt.
Ich sehe quer durch unsern Hain,
inmitten in den Hörsaal rein.
Ich sehe euch! Macht euch nichts daraus,
ich bin ein braver Nikolaus.

Ich sehe, wie sich mancher quält,
bis sich aus großer Wirrnis schält
die Hoffnung auf ein wenig Licht,
der Funke, der die Nacht durchbricht.
Wieso, warum und obendrein,
wozu muss alles das denn sein?
Wie krieg ich das nur wieder raus?
„Gemach, gemach!“, mahnt Nikolaus!

Den steilsten Weg, geb´ ich euch mit,
den schafft ihr, geht ihr Schritt für Schritt.
Ist euer Tempo angemessen,
so sind die schwierigsten Finessen,
am Ende doch nur leicht gewesen.
Doch, wenn ihr von dem Stress genesen,
so steht schon neue Plag ins Haus,
so warnt euch euer Nikolaus.

Denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel,
und immer gibt´s ein neues Ziel.
Doch alles was ihr jetzt verstanden,
kommt niemals wirklich euch abhanden.
Und wenn euch auch die Köpfe rauchen,
könnt ihr fast alles einmal brauchen.
Denn irgendwann ist´s Studium aus,
und dann wird´s ernst, meint Nikolaus.

Noch aber gibt es manchen Spaß,
manch Freundschaft, und auch dies und das.
Der Mensch blüht auf beim Kartenspielen,
darf sich beim Sport auch wohler fühlen.
Manch Party bricht das Einerlei,
und wehe, man war nicht dabei!
Ein jeder kennt sich damit aus,
gesteht euch auch der Nikolaus.

Doch muss ich meines Amtes walten,
und mahnen euch, doch Maß zu halten.
Und zwar nicht die Maß, sondern das!
Und halb so viel macht doppelt Spaß.
Doch nein! Was halte ich Gericht,
zu stark zu tadeln schickt sich nicht,
sitzt man wie ich in gläser´m Haus,
drum schweigt da euer Nikolaus.

Ach, und zuletzt die Professoren,
die ihr nicht immer auserkoren,
die halt des Lebens Schicksalsweg
euch in die Quere hat gelegt.
Welch eine Qual und welch ein Ringen,
ein wenig Logik beizubringen!
Gedanken rein, Gekritzel raus,
das wünscht sich euer Nikolaus.

War früher alles besser gar,
war eifrig die Studentenschar?
Wer solches glaubt, ist wohl schon alt,
und sieht die Bäume nicht im Wald,
die einen grad, die andren krumm,
die einen wach, die andren – stumm.
´s war immer so in diesem Haus,
erinnert sich der Nikolaus.

Schon immer saß man Stund´ um Stund´
und schrieb sich fast die Finger wund
in Vorlesungen ganz ohne Skript
mit Übungen, echt handgetippt.
Ganz ohne Hilf´ und gutes Buch,
und ohne schnelle Google-Such
fand man die Lösung auch heraus,
so jedenfalls der Nikolaus.

Doch mancher denkt sich, was er hätt´,
so schwarz auf weiß und hübsch adrett,
geordnet und durchnummeriert,
das wäre auch schon gleich kapiert.
Das ist nicht so, lehrt die Erfahrung.
Es dient doch nur der Aufbewahrung!
Lebendig wird erst was daraus
mit Übungen vom Nikolaus.

Im Internet find´ man, oh weh,
die Seite mit „meinprof.de“.
Die rechte Antwort wär´ am End,
ein Server namens – „meinstudent“.
Wie war er denn in diesem Jahr,
und überhaupt, war er je da?
Aus Lösungen zitiert´ mit Graus
dort Kalauer der Nikolaus.

Jetzt ist es Zeit für einen Schluss,
bevor ich rauf zum Schornstein muss
zu meinen Tieren und dem Schlitten.
Doch möcht´ ich noch um eines bitten.
Sprecht mit uns, und dann geht es schon
ganz ohne Evaluation.
Die Sorgen tauschen wir dann aus
von Nikolaus zu Nikolaus.

Die Kalte Progression

Ich habe darüber schon einmal geschrieben, muss aber immer wieder völlig falsche Berechnung in der Presse lesen.

Die kalte Progression ist einfach folgendes Phänomen: Wenn durch eine Inflation von 1% die Löhne um 1% steigen, dann steigen die staatlichen Einnahmen aus der Steuer für Löhne nicht um 1%, sondern um etwas mehr als 1%. Verlässliche Zahlen habe ich dazu nicht gefunden, aber es dürften etwa 1,5% sein. Über die Jahre hinweg addiert sich das natürlich. Diese addierten Summen werden als Verluste der Arbeitnehmer dargestellt, zumindest von Kreisen, die den Staat nur als Kostenfaktor betrachten.

Um ein konkretes Beispiel zu machen. Bei einem Gehalt von 40000 zu versteuernden Euro zahlt man etwa 22% Steuer. Steigt das Gehalt zum Inflationsausgleich um 1%, so steigt die Steuer in der Tat um 1,6%. In der Summe sind das etwa 50€ mehr als wenn die Steuer nur um 1% steigen würde. Die Ursache dafür ist, dass der Steuersatz 22% beträgt, der Grenzsteuersatz, der die Belastung von Gehaltszuwächsen angibt, aber stolze 36%. Dieser Unterschied ist bei einem progressiven Steuersystem mit Freibeträgen mathematisch unausweichlich. Ein Basteln am prinzipiellen Aufbau des Steuersystems kann daran nichts ändern.

Das einfache Gegenmittel gegen diese Progression aufgrund von Inflationsausgleichen (kalte Progression) ist eine Anpassung der Steuersätze in regelmäßigen Abständen unter Berücksichtigung der Gehaltsentwicklung. In anderen Ländern wird das im Abstand von ein zwei Jahren auch gemacht. In Deutschland liegen die Anpassungen weiter auseinander. Meist sind sie auch nicht durch die Gehaltsentwicklung motiviert, sondern sie verfolgen andere Ziele, wie etwa eine „Entlastung der Bürger“. Tatsächlich gibt es aber hier sehr wohl eine Anpassung. Es ist unredlich, die Mehrbelastungen über viele Jahre hinaus aufzuaddieren.

Einige Fakten sind in diesem Zusammenhang zu beachten. Die staatlichen Einnahmen bestehen nicht nur aus Löhnen. Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sind inzwischen höher. Diese Einnahmen steigen nur im Takt der Inflation.

Außerdem hinken in Deutschland die Gehaltsentwicklungen der Inflation etwas hinterher, insbesondere im unteren Gehaltssegment. Man müsste eigentlich bei der jährlichen Anpassung der Steuersätze diese Unterschiede berücksichtigen. Ich fürchte aber, dass einfach die Inflationsrate genommen wird, wodurch Arbeitnehmer, die keine Gehaltssteigerung erfahren durften, mehr Steuer als vorher bezahlen müssten.

Pendulum Waves

I have seen the following with real physical objects. I thought I could try to do this in Euler Math Toolbox (EMT). It is not exactly accurate since the frequency of the pendulum is inverse proportional to the square root of the length of the pendulum. But that does not really matter.

fr=(10:0.1:11)';
t=0:0.002:100;
x=sin(fr*t*2*pi);
function showx (x) ...
$ markersize(20);
$ for k=1 to cols(x);
$    plot2d(x[,k]',1:rows(x),
$       a=-1,b=1,c=1,d=rows(x),>points,
$       style="o#",color=green,<grid);
$    wait(0);
$    until testkey();
$ end;
$ endfunction
clg;
showx(x);

Beweise

Beweise sind der schwerste Teil der Mathematik. Natürlich gibt es Beweise, die aus einem einfachen Nachrechnen entlang eines klar vorgegebenen Wegs bestehen. Beispiele dafür finden sich in Aufgaben der Mengenlehre des ersten Semesters, wo die Logik der Definition den Beweisweg fast eindeutig vorgibt. Dennoch muss man auch das lernen.

Aber sobald es etwas heikler wird, erfordert das Finden eines Beweises Hartnäckigkeit. Tatsächlich verschleiert die Aufgabenstellung „Beweisen Sie …“ oft, dass das Resultat durch gute Beobachtung eines Zusammenhangs gefunden wurde, wobei der Rückschluss vom Ergebnis auf die Beobachtung fast unmöglich ist. Hierfür gebe ich ein simples Beispiel, ebenfalls aus dem ersten Semester.

Satz: In einem Körper hat eine Zahl höchstens zwei Quadratwurzeln.

Tatsächlich gibt es dafür, je nach Kenntnisstand, mehrere Beweise. Man kann zum Beispiel Tatsachen der Algebra über die eindeutige Faktorzerlegung von Polynomen heranziehen. Gemeint ist hier aber ein Beweis, der sich kurz nach der Definition eines Körpers finden lässt.

Wir beginnen nach „Schema F“ mit einem Widerspruchsbeweis. Angenommen

\(x = a^2 = b^2 = c^2\)

mit paarweise verschiedenen a, b, c. An dieser Stelle braucht es sehr viel Hartnäckigkeit und einen begabten Kopf, um weiter zu kommen. Ich behaupte, dass nur die allerwenigsten Studenten (einer in 1000)  eine Chance haben. Und selbst dann ist nicht ganz klar, ob sie nicht vielleicht diese Idee schon einmal gesehen haben:

\(a^2=b^2 \Longleftrightarrow (a-b)(a+b)=0.\)

Da a-b nicht 0 ist, muss a=-b sein. Analog c=-b, also a=c und damit ein Widerspruch.

Kann man darauf wirklich alleine kommen? Schon, aber es benötigt sehr viel Zeit, und vermutlich einen kleinen Schubser in die richtige Richtung.

Bologna und seine Folgen für die Mathematikausbildung

Die Überschrift stimmt ein Thema an, bei dem sich Dozenten aller Fachrichtungen in Rage reden können. Manchmal packt es mich auch. Das geschieht immer dann, wenn ich die Reform aus Sicht der Studenten sehe.

Ich werde im nächsten Semester Funktionentheorie lesen. Man kann über diese Vorlesung, die früher als unbedingtes Grundwissen jedes Mathematikers angesehen wurde, geteilter Meinung sein. Passt sie noch in einen modernen, anwendungsorienierten Bachelor-Studiengang oder nicht? Ich meine, schon diese Frage zeigt, wie sehr wir vom Ideal der Bildung abgekommen sind und nur noch in der Kategorie „Ausbildung für die Praxis“ denken. Die aufgezwungene Verkürzung des Studiums zwingt dazu, die Module auf vermeintlich relevante Inhalte zu reduzieren. Die Funktionentheorie hält sich da nur noch im Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien, und dem entsprechend ist die Hauptkompetenz das Bestehen des schriftlichen Examens.

Die Frage, die mich umtreibt, ist allerdings eine andere. Wie soll ich eine Veranstaltung, die mit 5 Kreditpunkten gewertet wird, so gestalten, dass ein vertieftes Wissen entsteht? Wer schon einmal Mathematik studiert hat, weiß, dass man mit zwei Vorlesungen im Kernfach Mathematik mehr als ausgelastet ist. Nie habe ich selbst mich um mehr als zwei Vorlesungen wirklich gekümmert. Die beiden anderen Veranstaltungen im Nebenfach wurden per Lernmarathon vor der Klausur absolviert. Erleichtert wurde das dadurch, dass nur eine schriftliche Prüfung zum Vordiplom im Nebenfach vorgesehen war.

Heute haben die Studenten aber 6 mal 5 Kreditpunkte in einem Semester zu erwerben, und sie müssen überall die Prüfung bestehen. Das heißt, ihnen steht für ein Thema maximal ein Tag in der Woche an geistiger Auseinandersetzung mit dem Stoff und an Übung zur Verfügung. Mehr zu tun, wäre gefährlich für den Studienerfolg oder die Gesamtnote. Alle Prüfungen sind gleich gewichtet, und die resultierende Gesamtnote ist alles, was zählt. Sie entscheidet über Bewerbungen, entweder zum Master oder im Beruf. Im Staatsexamen sieht die Lage zwar nicht ganz so kritisch aus, da das zweite Staatsexamen und damit die Lehrpraxis eine viel größere Gewichtung hat.  Die Anzahl der zu absolvierenden Pflichtmodule ist aber auch dort beängstigend groß.

Die Folge muss eine plakative Veranstaltungen sein, die die für das Staatsexamen notwendigen Inhalte ohne Reflexion in den Mittelpunkt stellt. Man kann nicht erwarten, dass die Studenten mehr Interesse als notwendig einbringen. Eher muss man Studenten, die sich mit dem Stoff zeitaufwändig beschäftigen, vor den Folgen ihres Tuns warnen. 

Ich glaube nicht, dass Studenten früher besser und fitter waren. Die Leistungen waren schon immer sehr gemischt. Aber ich habe Studenten zu Persönlichkeiten heranwachsen sehen, denen ich im ersten Semester nicht viel zugetraut hätte. Am meisten geschah diese Verwandlung während der Zeit, in der die Diplom- oder die Zulassungsarbeit erstellt werden musste. Es ist genau die vertiefte Beschäftigung mit einem Thema, die einen Studenten zum Mathematiker werden lässt. Ich weiß nicht, wo heute der Platz für eine solche Entwicklung noch sein sollte. Die Kleinteiligkeit der abzuarbeitenden Modulliste und der Prüfungszwang fördert vielleicht die Kompetenz „Lernen“, behindert aber die Kompetenz „kritisches Verstehen“.