Ein Fernsehbeitrag gestern animiert mich zum Nachdenken über das Verhalten einzelner und dem Kategorischen Imperativ von Kant. Es ging um Knauser. Das sind Menschen, die ihren Lebensinhalt darin sehen, möglichst billig durchs Leben zu kommen. Beispiele?
- Verbrauch von Wegwerfware wie Brot von gestern, Zeitungen aus dem Müll, abgelaufenen Supermarktprodukten,
- Sammeln von Altwaren aus Schrottplätzen oder Fundstücken samt Instandsetzung,
- Recycling, etwa von Wasser im Haushalt, etwa das Abfüllen der Waschlauge per Eimer in die Toilettenspülung,
- Umsonstangebote, zum Beispiel das Fernsehprogramm aus der Apothekenrundschau, oder die Nutzung der Rückseiten von Werbeprospekten als Druckerpapier.
Man mag einige Vorschläge in sich nicht schlüssig finden, wie etwa das Sammeln von Altteilen, nur weil man sie umsonst bekommt. Man kann sich auch fragen, wie die Lauge sich auf die Installationen auswirkt, wenn man sie täglich hineinschüttet, und ob man da wirklich sinnvoll spart. Das ist nicht mein Punkt.
Die Frage ist, wie die Mathematik des Sparens aufgeht, wenn es alle tun. Der Kategorische Imperativ ist zwar eigentlich für negativ besetzte Verhaltensweisen gedacht. Wenn beispielsweise nur einige wie wild Auto fahren, dann ist das lästig und bisweilen endet es katastrophal. Wenn aber alle so fahren, dann haben wir ein permanentes Chaos. Die Logik lässt sich aber auch auf Knauser anwenden. Wenn alle die Apothekenrundschau als Programmzeitschrift nutzen, dann gibt es sie einfach nach kurzer Zeit nicht mehr, zumindest nicht umsonst. Geradezu absurd wird es, wenn wir uns vorstellen, dass alle auf den Ablauf der Haltbarkeit warten, um billiger an Waren zu kommen.
Die gleiche Logik gilt in vielen Lebensbereichen. Es ist schön, wenn die Menschen fleißig sind, und zum Beispiel die Renovierung ihrer Kirche in die eigene Hand nehmen. Aber es gibt Dinge, die Profis eben effektiver und letztlich besser erledigen. Unser Wirtschaftssystem baut darauf auf, dass jeder das macht, was er am besten kann. Und der Handwerker vor Ort samt seinen Angestellten schaut dann eben in die Röhre. Im Einzelfall ist das Okay, aber wenn wir es alle machen, kommt unser Wohlstand in Gefahr. Prämisse ist allerdings, dass der Handwerker und seine Angestellten sich den Verdienst gerecht teilen, so dass wirklich der Wohlstand aller steigt, nicht nur einiger Weniger. Jetzt kommen wir in der Bereich der Politik. Vorsicht!
Das gleiche gilt für die Mathematik des Sparens. Wenn es alle im Übermaß tun, taugt es nichts mehr. Sparen bedeutet heute auf Konsum zu verzichten, um morgen mehr zu konsumieren. Dies ist für den Einzelnen oft sinnvoll. Volkswirtschaftlich gesehen ist übermäßiges Sparen nicht nützlich. Es führt in der Praxis dazu, dass die Sparvermögen gleich zu Beginn ungleich verteilt sind und durch verschiedene Effekte (Zinsen, Einflussnahme) immer ungleicher werden. Sollte es wie durch ein Wunder gelingen, die Sparvermögen gleichmäßig zu verteilen, so sind sie bei einer Umwandlung nichts mehr wert. Denn es kann immer nur so viel konsumiert werden, wie produziert wird. Sparen dient also hauptsächlich der Verteilung von Teilhaberschaft. Diese Überlegungen zeigen übrigens den Unsinn einer Rentenversicherung, die auf Sparen fußt.
Ebenso für internationale Beziehungen. Die Mathematik gebietet, dass nicht alle einen Exportüberschuss erzielen können. In einer kooperativen Gemeinschaft wie der EU sollte das eine selbstverständliche Grundlage des Miteinanders sein. Dennoch glauben einzelne Staaten ihren Wohlstand zu mehren, indem sie gewaltige Exportüberschüsse erzielen. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Denn wenn der Überschuss real ist und nicht währungsfiktiv, und das ist in einer gemeinschaftlichen Währung der Fall, dann erzielt man lediglich Anwartschaften, also Sparvermögen im Ausland. Ob diese Investitionen in die Zukunft jemals in echten Wohlstand der inländischen Bevölkerung umgesetzt werden, ist mehr als fraglich.
Wahrscheinlicher ist, dass sie verloren gehen. Denn jedem Vermögen stehen Schulden eines anderen gegenüber. Das wird oftmals nicht ganz klar gesehen. Banken horten das Geld nicht einfach. Sie verleihen es. Würden Sie es einfach horten, wäre es nichts wert. Geld kann man nicht essen. Gehortetes Geld kann man lediglich in Spielkasinos hin und her schieben. Im schlechtesten Fall ist es ein Mittel der Machtverteilung. Also wird das Geld investiert. Ob allerdings die Schulden des Auslands jemals zurück gezahlt werden, ist mehr als unsicher.
Da ich gefragt wurde, was ich vom Sparen von Staaten halte, hier als Kommentar:
Bei Sparen von Staaten ist der kategorische Imperativ ein tatsächlicher Imperativ. Wenn der Staat spart, sparen seine Akteure. In der liberalen Theorie kommen die Akteure auch ohne Staat zurecht und regeln ihre Aktivitäten über den Markt. Der Staat soll lediglich für die Sicherung der Rahmenbedingung notwendig sein, also etwa für die Durchsetzung der Eigentumsrechte. Noch ist aber kein Fall aus der Praxis bekannt, wo das auch funktioniert. Es ist einfach nicht effektiv, Straßen nur von Privaten betreiben zu lassen, oder gute Schulen nur den Kindern der Reichen zur Verfügung zu stellen. Daher verkommt die Wirtschaft, wenn der Staat verkommt. Wirtschaft und Staat müssen zusammen arbeiten mit der Vernunft der sozialen Gerechtigkeit.
Das hat allerdings mit der Mathematik des Sparens nichts zu tun und auch nicht mit dem kategorischen Imperativ.
Das sind wirklich interessante Gedanken! In der Tat würde eine Volkswirtschaft zusammenbrechen, wenn alle sparen würden. Dennoch tendiere ich eher zu der Aussage, dass ein „Knauserer“ sich nicht vollständig dem Konsum verweigert (irgendwann wird er ein essbares Brot kaufen müssen!), sondern auf einer Seite spart, um dafür auf der anderen mehr ausgeben zu können. Die Zeitspanne zwischen Sparen und Ausgaben muss ja nicht notwendigerweise mehrere Jahre betragen. Darüber hinaus können wir entscheiden, in welche Produkte wir investieren. Die Entscheidung gegen den Kauf sollte nicht mit Sparen verwechselt werden.
Das ist korrekt und ist Teil der persönlichen Freiheit im Wirtschaftsleben. Das Problem liegt immer im Übergang vom Einzelnen zur Masse. Wenn sich zum Beispiel alle entscheiden, nur Geld für das Auto auszugeben, und beim Essen zu sparen, dann wird es bald nur noch billige Nahrungsmittel geben. Solange sich das schön mischt, ist es Ok.
Ich bin oben eher daran interessiert zu beschreiben, was passiert, wenn alle zum Sparen gezwungen werden. Das ist nicht so weit hergeholt. Man muss nur ein wenig über die Grenzen schauen.