Intrinsische und Extrinsische Motivation – Drive

Ich habe im Urlaub „Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us“  von Daniel H. Pink (Deutsche Version: „Drive: Was uns wirklich motiviert“) gelesen, und zwar mit der gehörigen Portion Skepsis, aber auch mit Vergnügen. Pink ist ein „Wissenschaftsautor“, der sein Geld mit Schreiben verdient. Wenn man Wikipedia glauben darf, hat er keine eigenen wissenschaftlichen oder sonstige praktische Erfahrungen. Das ist erst mal kein wertendes Urteil. Denn auch Journalisten können gut informiert sein, wenn auch der Hang zum reißerische Aufmacher stets zu befürchten bleibt.

Als Fazit finde ich seine „Truth“ nicht so „Surprising“: Intrinsische Motivation, also das, was ursprünglich mal einfach „Motivation“ genannt wurde, schlägt extrinsische Motivation, also Zwänge und Belohnungen. Letztere können sogar schaden, weil sie zu Tricks und Betrug verführen und weil Belohnungen süchtig machen, so dass man ohne den den Kick nicht mehr auskommt. Das Buch belegt diese Thesen auf beeindruckende Weise durch Zitate aus neueren Studien. „Surprising“ nennt Pink diese Thesen, weil sie im derzeitigen Wirtschaftswesen bei der Mitarbeiterführung nicht beherzigt werden. Er beschreibt im Gegensatz dazu Unternehmen, die ihren Erfolg durch eine Änderung der üblichen Bonus- und Strafsysteme gesteigert haben. Dafür bin ich kein Spezialist und das mag so sein. Die Argumentation im Buch wirkt schlüssig und ausgewogen.

Ein für mich interessantes Detail betrifft die Bezahlung. Er schreibt, die Bezahlung müsse so gut sein, dass das Thema Geld als Hauptmotivation vom Tisch ist. Das finde ich gut. Es bedeutet aber, dass ein Großteil der Arbeitnehmer überhaupt keine intrinsische Motivation entwickeln kann, weil die Meschen für ein Geld arbeiten müssen, das kaum zum Leben reicht. Das gilt hierzulande, aber insbesondere in den USA. Das Buch hat auch natürlich auch weniger Putzpersonal im Blick, sondern eher Verkäufer oder Entwickler, sogenannte „Kreative“.

Mein Blickwinkel beim Lesen war eher das Bildungssystem, in dem schließlich die Motivation für Lernen und Leisten eingeübt wird. Im Buch findet sich dazu wenig mehr als eine Randbemerkung.

Die von Pink genannten Säulen für eine gute Motivation sind:

  • Autonomie, also selbstbestimmtes Handeln in eigener Verantwortung,
  • das Streben nach Meisterschaft, also das Vergnügen daran, auf seinem Gebiet gut zu sein,
  • und Sinn, also etwa Verbindung zum realen Leben oder soziale Anerkennung der Tätigkeit.

Wie sieht es im modularisierten, durchgeplanten Studium, in dem eine Prüfung die nächste hetzt, derzeit aus? Und was kann man tun, um die Lage zu verbessern?

Unter Autonomie im Studium würde ich ein selbstbestimmtes, eigenständiges Erarbeiten des Stoffes mit einer Freiheit der Schwerpunktbildung verstehen. Die Alten kennen das noch von ihrem Studium, bei dem man durchaus in einem Semester auch mal keinen Schein machen konnte. Das heutige Studium ist das Gegenteil davon. In den meisten Studiengängen wird detailliert jede zu belegende Vorlesung und jeder zu schreibende Schein vorgeschrieben. Mehr noch! Es wird dem Dozenten durch eine kleinteilige Modulbeschreibung der Inhalt seiner Vorlesung vorgeschrieben.

Das Streben nach Meisterschaft wäre der Versuch, das Fach mit all seinen Verästelungen meisterlich zu beherrschen. Das steht heute nur den besten Studenten offen, die sich einer guten Benotung sicher sind. Und selbst denen nicht immer. Wenn sie nämlich auf glatte Einser spekulieren, so müssen sie sich auf die Klausur konzentrieren und jede Ablenkung vermeiden. Von den Schwächeren bekommt man nach der Frage, ob man sich vielleicht auch mit diesem oder jedem Spezialproblem beschäftigt hätte, immer nur die eine Antwort: „Haben wir nicht gebraucht!“

Die Frage nach dem Sinn erübrigt sich fast. Der Sinn ist die nächste Klausur und ultimativ der Studienabschluss. Danach nichts wie weg von der Uni! Ich muss zugeben, dass die Abschlüsse ab dem Master wenigstens noch sozial anerkannt sind. Für den Bachelor gilt das nur in eingeschränktem Maße.

Was kann man dagegen tun? Wie kann man gegensteuern? Als einzelner Dozent (oder einzelne Dozentin, versteht sich) geht das kaum. Die meisten Studenten sind es einfach nicht gewohnt, Freude an der Sache zu entwickeln. Und wenn nach der Schule Vorfreude auf die neue Herausforderung vorhanden war, wurde sie vom Stress des ersten Semester zunichte gemacht. Macht der Dozent bei der Stress-Produktion nicht mit, so kann es durchaus passieren, dass die Studenten die Veranstaltung zugunsten des Kollegen, der 50% der zwei wöchentlichen Übungsblätter verlangt, vernachlässigen. Wer wollte es ihnen verdenken?

Aber als ganzes Fach kann man durchaus etwas tun.

  • Man kann Übungsblätter so gestalten, dass sie Übungen mit experimentellem Charakter enthalten, und nicht nur Prüfungsaufgaben, zudem Übungsaufgaben mit Anwendungsbezug. Übungsblätter werden nicht bewertet und zählen daher auch nicht für die Modulnote. Sie werden lediglich korrigiert. Das Ziel ist, die Studierenden zu bewegen, auch schwierigere Aufgaben zu versuchen, und ein Scheitern nicht zu fürchten.
  • Um die Angst vor der Klausur zu nehmen und ein freies Denken über das Fach zu ermöglichen, sollten die Klausuren nicht zu schwer sein. Sie prüfen Grundwissen ab, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Für interessierte und hinreichend begabte Studenten sollte es ohne Weiteres möglich sein, einen Einser zu ergattern. Durchfaller sollten durch mangelndes Interesse oder völliges Fehlen von Begabung gekennzeichnet sein.
  • Es sollte eine ganze Reihe freier Module geben. Exzellente Studenten können sich durch das Belegen von schwierigeren,oder zusätzlichen Modulen im Diploma Suplement qualifizieren, wenn sie möchten.

Alles was dazu dient, das Einlernen von Inhalten und das möglichst schnelle Reproduzieren in Klausuren zu reduzieren, und das Nachdenken und Experimentieren zu fördern, stärkt alle drei Säulen der intrinsischen Motivation:

  • Die Autonomie, weil es bedeutet nicht nachzubeten, sondern selbst zu erforschen und zu denken,
  • das Streben nach Meisterschaft, weil Meisterschaft im händischen Rechnen oder im Nachzitieren von Sätzen heute immer sinnloser wird,
  • und auch die Sinngebung, weil es erlaubt, das Fach mit wachen Augen zu sehen.

 

 

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