Smartphones, Schulen und Digitale Initiative

Die Bundesregierung plant angeblich eine digitale Initiative, um die im Vergleich zu anderen Ländern an deutschen Schulen zurückliegende digitale Infrastuktur zu verbessern. Zumindest taucht eine solche Initiative immer wieder in Sonntagsreden auf, mit dem Hinweis darauf, dass Deutschland für die „digitale Zukunft fit gemacht werden soll“. Es ist auch nicht überraschend, dass die Freunde der deutschen „Wettbewerbsfähigkeit“ sich kräftig einmischen, die von neuen Schulen träumen, an denen die Schüler für die „Arbeitswelt von Morgen“ fit gemacht werden.

Auf der anderen Seite stehen die altbekannten Bremser. Viele Lehrer und Eltern scheinen sich Sorgen zu machen, dass „Kulturtechniken“ verloren gehen. Als Beispiele werden oft das Rechnen und die Rechtschreibung genannt, gerne auch das handschriftliche Schreiben und die schöne Schrift. In den Chor mischen sich die Anhänger der sprachlichen Ausbildung in Latein und Griechisch, den Grundlagen des christlich-römischen Abendlandes und des logisch, analytischen Denkens. Das Internet mit der vorherrschenden Sprache Englisch und dem Video als Hauptmedium ist das grasse Gegenteil dieses Erziehungsentwurfs.

Auf dieser Basis ist es sehr schwer, über eine Einbindung des „Digitalen“ in die Schule vernünftig zu diskutieren. Ich würde raten, erst einmal verbal und emotional abzurüsten. Weder ist ein Tablett im Unterricht der Untergang des Abendlandes, noch kann ein Unterricht rein über vernetzte Medien gelingen. Wie immer liegt die Wahrheit doch in der Mitte.

Wer Jugendliche im Netz beobachtet, sieht doch, dass sie die Möglichkeiten der neuen Geräte im Wesentlichen zur sozialen Interaktion nutzen. Das Surfen ist eben nicht gleichzusetzen mit dem Fernsehkonsum. Smartphones sind deswegen so beliebt, weil man Nachrichten senden und empfangen kann. Die überwiegende Zeit verbringen Jugendliche in sozialen Netzen wie WhatsApp oder Facebook.

Also ist es offensichtlich, dass ein Smartphone im Unterricht stört. Es ist einfach gleichzusetzen mit dem Schwätzen, einer unvermeidlichen Unsitte, mit der Lehrer seit Urzeiten kämpfen. Die Schüler nutzen ihre Smartphones auf genau diese störende Weise im Unterricht, wenn man es nicht ausdrücklich untersagt. Sie nutzen sie auch als Ablenkung von den Hausaufgaben. Diese Trivialität des guten Lehrens und Lernens wird gerne hergenommen, um Smartphones in Bausch und Bogen zu verdammen. Wir sollten statt dessen dahingehend wirken, dass die dauerende soziale Interaktion über ein Netz da unterbleibt, wo der Kontakt mit dem Gegenüber oder die Konzentration auf eine Sache wichtiger sind.

Die Anhänger des händischen Rechnens und der Beherrschung eines korrekten Deutsch sollten über diese Lernziele durchaus einmal nachdenken. Rechner und Schreiber waren in den ganz alten Zeiten zwar angesehene, aber dennoch rangniedrige Spezialisten. Heute ist der allgemeine Erwerb dieser Fähigkeiten allerdings eine Grundlage für unser modernes Arbeits- und Gemeinwesen, also die Voraussetzung für ein funktionierendes Bürgertum. Ohne Lesen und Schreiben zu beherrschen und mit Zahlen umgehen zu können, ist eine höhrere Ausbildung nicht möglich. Die Ausbildung aller Bürger in diesen Techniken ist also absolut notwendig für die Gesellschaft, in der wir leben.

Nun schreitet aber die Technik voran und auch die Welt als Ganzes. Ich habe selbst als Berufsmathematiker seit 40 Jahren keine schriftliche Division oder Multiplikation mehr durchgeführt. Mein Latein, das ich in neun langen Jahren erworben und verfeinert habe, brauche ich sehr selten und nur für Hobbies, und mein fünfjähriges Altgriechisch habe ich komplett vergessen – bis auf die Buchstaben, weil sie in der Mathematik verwendet werden. Meine Rechtschreibung habe ich im Wesentlichen nach der Schule verfeinert und ich schaue auch gerne mal im Online-Duden nach. Ein wesentlicher Teil der Kommunikation findet in Englisch statt, einer Sprache, die nolens volens (die Eliteerziehung schimmert immer durch) die allgemeine Sprache einer zusammenwachsenden Welt geworden ist. Meine altsprachliche Ausbildung behindert mich im Englischen nur. Übrigens ging sie auch auf Kosten einer naturwissenschaftlichen Bildung. Auch schreibe ich fast nie mit der Hand, und wenn, dann unleserlich. Tafelvorlesungen versuche ich mit Druchbuchstaben zu schreiben. Das geht genauso schnell und ist leserlicher.

Man schüttet natürlich nicht das Kind mit dem Bade aus. Selbstverständlich ist die Grundschule dazu da, die Grundlagen dieser Kulturtechniken zu erwerben. Es geht nicht ohne. Es ist lediglich so, dass wir uns überlegen müssen, was uns wichtiger ist. Wollen wir weiterhin stupide Techniken einüben, die in der Welt „draußen“ später nie benötigt werden? Oder wäre es da nicht besser, die nutzbringende Anwendung der zur Verfügung stehenden Techniken zu lehren? Damit ich nicht falsch verstanden werde, füge ich hinzu, dass für Kunst, Musik und zum Beispiel so etwas Exotisches wie Kaligraphie in der Schule Platz sein muss. Wir müssen auch das wertschätzen lernen. Aber gerade deswegen sollten wir Inhalte aus dem Unterricht entfernen, die nur Zeit verschwenden.

Und sobald man diesen Schritt vom Arbeits-, Schreib- und Rechenknecht hin zu einem selbständig denkenden, suveränen Menschen gemacht hat, wird klar, dass die digitale Umwelt Teil der Schule werden muss.

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