Ich kenne das noch von Tagungen der alten Haudegen. Dort wurde man dreimal schräg betrachtet, wenn man mit Folien, der Urzeitfassung von Beamern, ankam. Einige der Altvorderen verbaten sich die Nutzung derartiger vorgefertigter Vorträge in den von ihnen veranstalteten Kolloquien geradezu. Und hielten selber ausgezeichnete Tafelvorträge!
Ich hatte und habe dafür Verständnis. Manchmal sieht man auf Tagungen Vorträge, die aus einer auf Folie kopierten Version des Papers bestehen. Das macht wenig Arbeit, und man kann auf russisch reden, solange die Folien in Englisch gehalten sind. Man fragt sich natürlich, warum man dann überhaupt im Vortrag sitzt, und nicht die Originalarbeit in einer gemütlichen Ecke der Cafeteria liest. Offensichtlich haben viele Vortragende keine Vorstellung davon, wie viel der Mensch in 45 Minuten verstehen und aufnehmen kann.
In Vorträgen erwarte ich eine Zusammenfassung, einen Einstieg und Überblick. Je nach Umfeld sollte man die Nichtspezialisten mitnehmen. Die alte Regel, 1/3 sei für den Laien, 1/3 für den Fachmann, und 1/3 für den Spezialisten, war so schlecht nicht, muss aber natürlich je nach Publikum abgewandelt werden.
Und dabei ist es eigentlich egal, ob das mit Folien, an der Tafel oder Beamer geschieht. Moderne Präsentationen, mit entsprechenden Latex-Paketen erstellt, sehen aber einfach besser aus, sind praktischer als Tafelskizzen, und irgendwie professioneller. Außerdem können Sie mit medialen Inhalten oder Demos angereichert werden.
Vor allem aber, und das ist der springende Punkt, erlauben sie das freie Sprechen vor dem Publikum. Auch in der Mathematik ist es notwendig, das Publikum über der Bedeutung der Resultate aufzuklären, sowie Kontexte herzustellen, und das ganze mit sympathischer Überzeugung vorzutragen. Das geht nicht, wenn man mit dem Rücken zu den Leuten an der Tafel herumpinselt. Es gibt außerdem nur sehr wenige Menschen, die fehlerfrei und ohne etwas zu vergessen, 45 Minuten Tafelanschrieb produzieren. Ich gehöre nicht dazu.
Nachtrag: Zum Thema passt dieser Artikel, den ich zufällig heute fand. Fazit: Viel Worte nützen nichts. Es kommt auf Aufbereitung und Konzentration an. Das wussten schon die guten Tafelvortragenden. Man schrieb nicht viel an, sondern nur das Wichtigste. Insofern passt mein Schlusssatz von oben nicht ganz. 45 Minuten Tafel passen auf eine, höchstens zwei große Tafeln, wenn es richtig gemacht wird.