Wir haben derzeit einige Probleme mit der Qualitätssicherung in wissenschaftlichen Arbeiten. Wenn sich Fakultäten entschließen, im Nachhinein Doktortitel abzuerkennen, dann muss die Sache schon sehr ernst sein. Offenbar sind in den Geisteswissenschaften ganze Doktorarbeiten durch verstecktes „Copy and Paste“ zusammengetragen worden, was zu allen Zeiten ein besonders schwerer Verstoß gegen wissenschaftliche Standards war. Es gibt inzwischen Software, die derartige Verfehlungen entdeckt. Aber perfekt sind solche Automaten nicht. Es ist daher auch heute noch möglich, dass Verfehlungen erst im Nachhinein entdeckt werden.
Zur Warnung sei hier festgehalten, dass es auch in mathematischen Arbeiten möglich ist falsch zu zitieren. Die Trennlinie zwischen eigener Leistung und fremden Inhalten ist in der Mathematik allerdings so scharf, dass es schwer ist, einen fremden Ansatz unschuldig als eigene Leistung auszugeben. Das gilt selbst dann, wenn man gründlich umformuliert. Sobald man Angelesenes wiedergibt, hat man Autor und Werk korrekt zu zitieren. In vielen Fällen reicht ein „Ich folge nun dem Ansatz von … [Nr. im Literaturverzeichnis]“. Bei Sätzen und entscheidenden Definitionen ist es aber üblich und daher auch notwendig, im Satz den Autor, die Arbeit und die Jahreszahl explizit zu zitieren, also etwa „Satz 4.2: (Autoren [Nr. im Literaturverzeichnis], Jahr)“.
Insbesondere bei Diplomarbeiten, aber auch bei anderen Arbeiten, ist manchmal nicht deutlich genug, worin die Eigenleistung denn nun besteht. Um das klar zu stellen, sollte man im Vorwort ohne falsche Bescheidenheit die Leistung der Arbeit skizzieren. Damit vermeidet man auch Unklarheiten hinsichtlich eventuell schlecht gekennzeichneter fremder Inhalte. Das Vorwort sollte übrigens auch für sich alleine stehen können und jedem Leser Auskunft darüber geben, ob es sich für ihn lohnt die Arbeit zu studieren. Es handelt sich um keine literarisches Vorwort, wo der Inhalt der Arbeit nicht verraten werden darf. Werbemaßnahmen für die Wichtigkeit des behandelten Stoffes sollten auf einen Paragraphen beschränkt bleiben. Man kann davon ausgehen, dass die Arbeit nur von Fachleuten gelesen wird.
Ein besonderes Problem sind Dinge, die durch mündliche Kommunikation mitgeteilt wurden, insbesondere vom Betreuer zum Doktoranden. Man geht bei Arbeiten im universitären Bereich bis hin zu Doktorarbeiten davon aus, dass ein Großteil der Ideen nicht allein vom Autor der Arbeit stammt. Diese Grauzone der eigentlich illegalen Hilfe wird allgemein akzeptiert. Der Anstand und die Fairness gebietet, zumindest im Vorwort dem Betreuer dafür zu danken. Es sei aber deutlich betont, dass Ideen, die aus Mails oder Vorträgen entnommen wurden, mit Nennung des Autors und des Kommunikationsweges zitiert werden müssen, auch wenn man sie eigenständig ausbeutet.
Es gibt in der Mathematik allgemein anerkanntes Grundwissen, sogenannte „Folklore“. Hier ist die Grenze schwer zu ziehen, ab der ein Zitat gefunden und angegeben werden muss. Genau wie beim Problem, ob ein Detail eines Beweis ausgeführt werden sollte, ist die Richtschnur das Zielpublikum. Bei jeder öffentlichen Arbeit, angefangen bei Masterarbeiten, ist das neben den Prüfern auch die wissenschaftliche Öffentlichkeit, also ein Fachpublikum. Bei Seminararbeiten geht man zur Übung von der gleichen Grundlage aus. Das bedeutet leider, dass man einen Spagat machen muss zwischen der Notwendigkeit, den Prüfer vom Verständnis des Stoffes zu überzeugen, und einer eleganten Darstellung, die die Fachwelt nicht mit trivialen Details langweilt. Prüfer sollten das berücksichtigen.
Arbeiten über Geschichte der Mathematik sind etwas ganz besonderes. Einerseits erwartet man dort mathematische Genauigkeit aus heutiger Sicht, andererseits historische Genauigkeit. Der besondere Reiz liegt ja gerade in der Würdigung eines alten Manuskripts erstens aus zeitgenössischer und zweitens aus moderner Warte. Im Umgang mit Sekundärliteratur gilt, dass Zitate von Zitaten als solche zu kennzeichnen sind. Diese Verfehlung fällt nur auf, wenn die Sekundärliteratur falsch zitiert hat. Der Umgang mit Sekundärliteratur ist kritisch, und man fährt daher am besten, wenn man sie zitiert. Etwa so: „Die Arbeit … zitiert den Satz von … folgendermaßen: …“. Dies ist bei manchen historischen Arbeiten notwendig, weil sie nicht oder nur schwer aufzufinden sind.